Von Sprachentwicklungsstörungen spricht man bei Störungen oder Abweichungen vom normalen Spracherwerbsprozess. Dies kann einen oder auch mehrere Bereiche des Sprachsystems betreffen, also Aussprache und Lautsystem, Wortschatz, Grammatik und die allgemeine Kommunikationsfähigkeit. Störungen in den einzelnen Bereichen werden nachfolgend näher besprochen.
Dyslalie
Eine Dyslalie ist eine Störung des Lautsystems. Das Kind hat Schwierigkeiten, ein oder mehrere Laute korrekt zu sprechen. Es ersetzt den schwierigen Laut durch einen anderen (z.B. Tuchen statt Kuchen) oder lässt ihn aus (z.B. Bume statt Blume).
Es kommt vor, dass es gleichzeitig Probleme hat, ähnlich klingende Laute (z.B. t und k oder sch und s) auditiv zu unterscheiden. Je nach Anzahl der betroffenen Laute, ist das Kind selbst von der eigenen Familie nur schwer zu verstehen. Unbehandelt kann dies zur Folge haben, dass sich das Kind zurückzieht, weniger spricht, kein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt, aggressiv wird oder andere Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Das Risiko der Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung ist erhöht.
In der Regel haben Kinder bis zum Alter von 4 1/2 Jahren das Lautsystem, bis 5 Jahre auch in allen Lautverbindungen (z.B. Kr/ Br/ Bl /Gl / Kn / Kl usw.) erworben.
Störungen im Aufbau des Wortschatzes
Die meisten Kinder fangen mit ca. einem Jahr an, erste Wörter zu sprechen und lernen in den ersten Jahren täglich neue dazu (Wortschatzexplosion). Dabei erlernt das Kind nicht nur das Wort selbst, z.B. „Auto“, sondern speichert auch viele Informationen dazu ab, z.B. dass ein „Auto“ Räder hat, dass es fahren, man es volltanken und es hupen kann, usw.. Das Kind lernt und begreift also mit allen Sinnen. Von daher ist es verständlich, dass ein Kind, das das Wort „Pferd“ nur gehört hat, dieses nicht so leicht in seinen aktiven Wortschatz übernimmt als ein Kind, das ein Pferd bereits auf einem Bauernhof oder auf einer Wiese erlebt und gestreichelt hat. Gesehen hat wie es sich bewegt, was es frisst und welche Geräusche es macht.
Gleichzeitig werden verschiedene Wörter mit gleichen Merkmalen in Kategorien zusammengefasst, z.B. alles was man essen kann sind Lebensmittel, alles was vier Beine und ein Fell hat sind Tiere und weiter ausdifferenziert, alle Tiere die bellen sind Hunde.
So sind für den Aufbau eines Wortschatzes viele Fähigkeiten, wie z.B. Wahrnehmungsfähigkeiten (sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen), kognitive Fähigkeiten, wie kategorisieren, die Merkfähigkeit sowie die Fähigkeit, beim Sprechen das richtige Wort wieder abzurufen, notwendig.
Bei einem Kind mit Wortschatzdefiziten muss deshalb genau diagnostiziert werden, in welchem dieser Bereiche die Probleme liegen, um gezielt dort anzusetzen.
Diese Kinder haben Probleme, das grammatische Regelsystem zu erlernen. Das kann sich auf den Satzbau beziehen, z.B. an welcher Stelle im Satz das Verb stehen muss ( ich den Ball haben will) oder auf Deklination und Konjugation, z.B. wie der Plural gebildet wird (Hute statt Hüte) oder die Vergangenheit ( ich bin zun Kindergarten gegangt).
Der Erwerb der grammatischen Regeln erfolgt normalerweise in einer bestimmten Reihenfolge, die in Phasen eingeteilt ist. In der Diagnostik wird die Spontansprache des Kindes analysiert, um zu sehen, in welcher Phase es steht, d.h. welche grammatikalischen Strukturen unzureichend gebildet werden und wo die Therapie ansetzen muss.
Kinder mit pragmatischen Störungen haben allgemein Schwierigkeiten, altersgemäß zu kommunizieren. Sie bauen z.B. keinen Blickkontakt auf, haben Probleme beim Wechsel von Sprecher- und Hörerrolle im Gespräch (turn-taking) oder bei verschiedenen Spielformen wie Regelspiel oder Rollenspiel. Sie werden häufig von den Eltern als unkonzentriert und unruhig beschrieben.
Nicht selten trifft das auch bei Kindern mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) zu.
Weitere Informationen zum Thema Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern finden Sie hier:
www.dbl-ev.de
Sprachauffälligkeiten bei Zwei- und Mehrsprachigkeit
Es besteht die Gefahr, die Muttersprache ausländischer Kinder in ihrer Entwicklung zu bremsen (z.B. in Kindertagesstätten, Schulen etc.). Dies kann wiederum eine Verzögerung der Zweitsprache zur Folge haben, da die Sprachfähigkeiten der Muttersprache als Grundlage für den Zweitspracherwerb dienen. Die Muttersprache ist demzufolge kein Hindernis für den Deutschlernprozess. Eltern sollten deshalb in der (jeweiligen) Muttersprache mit ihren Kindern sprechen (Prinzip: “Eine Sprache – Eine Person”). Das Kind soll lernen, beide Sprachen zu trennen und nicht zu vermischen.